Es irritiert zu hören, dass der Bad Friedrichshaller Bürgermeister jede Investition und jeden Neubau für die Stadt begrüßt. Und dass die Heilbronner Stimme in unermüdlicher Begeisterung von jedem Projekt der Schwarz-Gruppe berichtet. Die Ursachen und vor allem die Folgen der Investitionen werden ausgeblendet.
In unserer Region wird händeringend nach Arbeitskräften in allen Bereichen gesucht, Wohnraum ist inzwischen eine der wertvollsten Ressourcen, gleich nach Betreuungsplätzen für Kinder. Mit der Ansiedlung von weiteren 5000 Arbeitsplätzen in Bad Friedrichshall und 1500 in Bad Wimpfen legt die Schwarz-Gruppe kein Entwicklungshilfeprogramm auf, für das die Bewohner im Neckartal dankbar sein müssten.
Im Gegenteil: Die Probleme, die wir haben, werden mit dem „Motor für das Gastgewerbe“ größer: Der jetzt schon hart umkämpfte Wohnungsmarkt wird mit den beiden Lidl-Komplexen in Kleinstadtgröße in naher Zukunft wahrscheinlich zum regelrechten Schlachtfeld. Als Gewinner bleiben die übrig, die am meisten bieten können.
Der Hotel- und Gaststättenverband berichtet aus dem letzten Quartal 2019 von ungebremstem Wachstum in den Betrieben – und von größten Problemen, Arbeitskräfte zu bekommen. Genauso wie die Kommunen, die mit privaten Trägern im Wettbewerb um ErzieherInnen stehen, wie Schulen, Krankenhäuser, Seniorenheime, IT-Firmen, ...
Viele der Arbeitsplätze, die in die Lidl-Komplexe einziehen werden, gibt es aktuell schon. Die Angestellten haben ihre Wohnungen und Häuser und werden nicht alle umziehen. Aber sie werden ihren Arbeitsplatz irgendwie erreichen wollen, die meisten mit dem Auto. Sonst würden in Bad Wimpfen und Bad Friedrichshall nicht so viele kostenfreie Tiefgaragenstellplätze gebaut.
Die Mitarbeiter sollen also bequem und schnell zur Firma kommen können. Das ist im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte ein Faktor, der sehr wichtig ist und in diesem Wettbewerb wird mit harten Bandagen gekämpft. So werden auch Straßen aus- und neu gebaut: In Bad Wimpfen soll in den nächsten Jahren eine Straße entstehen, die zufällig direkt zum Lidl-Gebäude führt, in Neckarsulm wird die B27 an die Binswanger Straße angeschlossen und mehr Fahrspuren bekommen. All diese Maßnahmen begünstigen den Autoverkehr zu den Lidl-Komplexen. Alternativen Mobilitätsangebote der Firma gibt es zwar, können aber eher als Kosmetik gewertet werden.
Bei genauem Hinsehen fällt außerdem auf, dass mit der geplanten Umgehung in Haßmersheim nicht mehr viel fehlt, um auf der linken Neckarseite eine Alternativroute zur B27 entstehen zu lassen – noch mehr Straße, um noch mehr Individualverkehr zu ermöglichen.
Das alles sind Vorgehensweisen aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, haben mit zeitgemäßem Handeln nichts zu tun Das alles sind Vorgehensweisen aus den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, haben mit zeitgemäßem Handeln nichts zu tun. Den Preis für die Realitätsverweigerung der Firmenlenker und Politiker bezahlen die Menschen in unserer Region!
Martina Burkert, WiSe Bad Wimpfen